Wichtiger Hinweis vorab!

Das Zusammenspiel von Ernährung und Zwängen ist ein noch weitgehend unerforschtes Gebiet. Zwar gibt es erste wissenschaftliche Ansätze und vereinzelt Studien, die sich mit möglichen Zusammenhängen zwischen Essverhalten, Nährstoffzufuhr und Zwangssymptomatik befassen – insgesamt steht die Forschung hierzu jedoch noch am Anfang. Die Datenlage ist bislang begrenzt, und viele der bestehenden Untersuchungen weisen methodische Einschränkungen auf oder basieren auf kleinen Stichproben.

Dieser Artikel soll daher vor allem einen ersten Einblick in dieses komplexe Themenfeld geben. Ziel ist es, aktuelle Forschungsansätze aufzuzeigen und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Ernährung auch im Kontext psychischer Gesundheit eine Rolle spielen kann, ohne jedoch voreilige Schlüsse zu ziehen oder konkrete Empfehlungen abzuleiten!

Der vorliegende Beitrag versteht sich daher nicht als medizinische oder therapeutische Anleitung! Er ersetzt keine professionelle Diagnose oder Behandlung und es werden ausdrücklich keine konkreten Ernährungsempfehlungen oder Heilversprechen gegeben.

Zwangsstörung - ein Überblick

Zwangsstörungen zählen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen in Deutschland – etwa 2 bis 3 % der Erwachsenen sind im Laufe ihres Lebens betroffen. Typisch sind wiederkehrende, als belastend empfundene Gedanken und/oder ritualisierte Handlungen.

Zwangsgedanken sind aufdringliche und wiederkehrende Vorstellungen, die Gefühle des Ekels, der Angst oder der Scham auslösen. Starke Ausprägungen können den Alltag massiv einschränken, bis hin zur Arbeitsunfähigkeit oder sozialen Isolation. Zwangshandlungen wie beispielsweise übermäßiges Händewaschen oder Kontrollieren von Gegenständen werden als Rituale ausgeführt, um die innere Anspannung oder Angst der Zwangsgedanken zu lindern - obwohl Betroffene sich meist über die Sinnlosigkeit dieser Handlungen bewusst sind.

Die Ursachen sind vielfältig und können beispielsweise psychische Faktoren, genetische Veranlagung, Infektionen im Kindesalter und neurobiologische Veränderungen sein.

Laut aktuellen Leitlinien gilt die kognitive Verhaltenstherapie als wirksamste Behandlung, noch vor medikamentöser Therapie mit Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern.

Was wäre, wenn du mit deiner Ernährung deine Zwänge beeinflussen könntest?

Diese Frage klingt zunächst überraschend, doch die heutige Wissenschaft liefert erstaunliche Antworten: Die Verbindung zwischen deiner Ernährung und deinen Zwangsgedanken ist weitaus stärker, als bisher angenommen wurde.

Aktuelle Studien revolutionieren unser Verständnis von Zwangsstörungen durch eine erstaunliche Entdeckung: Der Großteil des Serotonins, also der Botenstoff, der maßgeblich deine Stimmung beeinflusst, wird nicht im Gehirn, sondern in deinem Darm produziert. Die Darmflora im Darm ist damit einer der Hauptlieferanten für Serotonin und spielt somit auch bei psychischen Erkrankungen wie Zwängen eine sehr große Rolle. Diese Erkenntnis eröffnet neue Wege und Sichtweisen für die Behandlung von Zwangsstörungen, die weit über herkömmliche Therapieansätze hinausgehen (Bendriss et al., 2023).

Das Hormon Serotonin

So unterstützt dein Körper deine Stimmung

Serotonin ist ein wichtiger Botenstoff in unserem Gehirn, der unsere Stimmung und unser Wohlbefinden beeinflusst. Serotonin wird genauso wie das Schlafhormon Melatonin aus einer Aminosäure namens Tryptophan hergestellt, die wir über die Nahrung aufnehmen. Der Körper kann diese Aminosäuren nicht selbst produzieren. Damit aus Tryptophan Serotonin wird, braucht unser Körper ein spezielles Eiweiß - ein Enzym -, das diesen ersten Umwandlungsschritt übernimmt. Funktioniert dieses Enzym nicht richtig oder ist davon zu wenig da, kann auch bei genügend Tryptophan die Serotoninbildung blockiert sein. Tryptophan kann durch die gleichzeitige Nahrung von Kohlenhydraten in höheren Mengen aufgenommen werden - Kohlenhydrate fördern also die Aufnahme von Tryptophan ins Gehirn, wo es zu Serotonin umgewandelt wird.

Die Bedeutung von Serotonin für die Therapie von Zwangsstörungen wird auch durch Befunde bestätigt, die zeigen, dass eine verbesserte Serotoninproduktion mit einer gesteigerten Wirksamkeit von kognitiver Verhaltenstherapie und Medikation wie Sertralin einhergeht (Lissemore et al., 2018).

Takeaways

Die Arminosäure Typtophan ist der Vorbote von Serotonin & Melatonin. Wir erinnern uns: Sie wird nicht vom Körper selbst produziert, sondern über die Nahrung aufgenommen. Tryptophan kommt vor allem in eiweißhaltigen Lebensmittel vor, beispielsweise in Eiern, Sojabohnen, Fleisch, Geflügel und Fisch aber auch in Cashew- und Erdnüssen sowie Emmentaler. Der tägliche Bedarf kann mit diesen Lebensmitteln leicht gedeckt werden.

Die Darm-Hirn-Wechselwirkung

Zwänge und Darmflora

Der Austausch zwischen Darm und Gehirn ist enger, als viele Menschen wahrscheinlich denken. Die sogenannte „Darm-Hirn-Achse“ beeinflusst sich gegenseitig und steht in ständiger Kommunikation miteinander. Anatomisch sind der Darm und das Gehirn durch Nerven miteinander verbunden. Bei Menschen mit Zwangsstörungen geben Studien Hinweise auf eine veränderte Zusammensetzung der Darmflora und eine teilweise reduzierte Vielfalt der Darmbakterien (Dai et al., 2025; Domènech et al, 2022; Turna et al., 2020). Diese störende Veränderung der Darmflora kann zu chronischen Entzündungen führen, die direkt auf das Gehirn wirken und so Zwangssymptome verstärken können (Turna et al., 2020).

Die Macht der Probiotika

Wahrscheinlich hast du schon oft davon gehört, dass Probiotika zur Regulierung einer gestörten Darmflora eingesetzt werden können. Darüber hinaus deuten tierexperimentelle Studien jedoch auch darauf hin, dass bestimmte probiotische Milchsäurebakterien sogar zwanghafte Symptome verringern können. Es gibt Hinweise darauf, dass eine gezielte Förderung der Darmflora Entzündungen reduziert und die Signalübertragung zwischen Darm und Gehirn und somit die Ausprägung der OCD positiv beeinflussen kann (Bendriss et al., 2023). Die positive Wirkung belegt auch eine Studie eines Forschungsteam der Universität Basel: Betroffene mit depressiven Symptomen gaben durch die Einnahme von Probiotika eine deutliche Besserung dieser an (Schaub et al., 2022).

Takeaways

Probiotika, also spezielle Bakterienkulturen, können nicht nur zur Unterstützung einer einer intakten Darmflora eingesetzt werden, sondern neuste Studien deuten ebenfalls darauf hin, dass durch die Einnahme auch Zwangssymptome reduziert werden können. Probiotika kommen beispielsweise in Joghurt, Buttermilch, Kefir und Sauerkraut vor. Bei der Einnahme als Nahrungsergänzungsmittel sollte sich über die Anzahl der koloniebildenden Einheiten (KBE) im Vorfeld informiert werden. Zudem ist auf eine regelmäßige und langfristige Einnahme zu achten.

Die Mikronährstoffe

Da Entzündungen wie bereits beschrieben bei Zwangsstörungen im Zusammenhang stehen können, rückt auch die Bedeutung von Nährstoffen ins Blickfeld, die das Immunsystem unterstützen können.

Ein besonders bemerkenswertes Beispiel ist das Spurenelement Selen, welches bei Betroffenen mit Zwängen reduziert vorkommen kann. Selen kann von uns Menschen nicht selber hergestellt werden, sondern wird über die Nahrung aufgenommen. Es hat mehrere Funktionen im Körper, unter anderem die Regulation der antioxidative Abwehrprozesse in deinem Gehirn. Das bedeutet, dass Selen deine Zellen vor Stress schützt. Rauchen, UV-Strahlung sowie Alkohol und Koffein können diesen Stress wiederum verstärken. Selen kann diesem entgegenwirken. Ebenso spielt das Spurenelement zudem eine wichtige Rolle im Schilddrüsenhormonstoffwechsel sowie in einem funktionierenden Immunsystem.

In einer Studie wurde die ergänzende Selentherapie evaluiert und das Ergebnis ist verblüffend: Teilnehmer zeigten nach nur sechs Wochen durch die Einnahme von Selen deutlich reduzierte Y-BOCS-Werte und konnten die Zwangssymptome somit spürbar reduzieren (Sayyah et al., 2018). Da in dieser Studie zudem die Teilnehmer*innen bereits medikamentös eingestellt worden waren, lässt sich ebenfalls daraus ableiten, dass Selen die Wirksamkeit von SSRIs verstärken kann.

Takeaways

Selen ist ein Spurenelement, welches vom Körper nicht selber hergestellt werden kann. Es beeinflusst die antioxidativen Prozesse im Körper, welche wiederum auf die OCD-Entwicklung Auswirkung haben. In einer Studie konnte eine Symptomreduzierung mit 200 Mikrogramm täglich erzielt werden (Sayyah et al., 2018). Auch wenn der Boden in Europa mit seinem selenarmen Boden eher als Selenmangelgebiet gilt, gibt es einige Lebensmittel, die eine wichtige Selenquelle sind. Neben Paranüssen und Linsen zählen Fisch, Fleisch und Eier sowie Haferflocken zu den guten Lieferanten.

An dieser Stelle muss auch Vitamin-D erwähnt werden: Vitamin D ist nicht nur für die bekannteste Funktion des Knochenstoffwechsels zuständig, sondern ist ebenso an der Bildung von Serotonin beteiligt. Fehlt nun aber Vitamin D, wird die Umwandlung von Tryptophan zu Serotonin gehemmt - auch wenn du genug Tryptophan zu dir nimmst! Deshalb leiden Menschen mit Zwangsstörungen oft zusätzlich unter Vitamin-D-Mangel, was ihre Symptome verstärken kann (Lennertz, 2013).

Das Robert-Koch-Institut gibt als Maßstab Blutwerte von mindestens 30 ng/ml Vitamin-D vor. Da Vitamin D hauptsächlich über die Sonnenstrahlung in den Körper gelangt, wird eine zusätzliche Supplementierung über Nahrungsergänzungsmittel empfohlen.

Takeaways

Die Vitamin-D-Bildung wird hauptsächlich durch den Körper in der Haut durch UV-B-Strahlung gebildet. Daher ist ein Aufenthalt an der frischen Luft notwendig. Die deutsche Sonneneinstrahlung reicht jedoch im Herbst und Winter nicht aus, um ausreichend Vitamin D zu bilden. Allerdings speichert der Körper Vitamin D über die Sommermonate und setzt dieses im Winter frei. Eine zusätzliche Supplementierung von Vitamin D kann jedoch sinnvoll sein – den benötigten Wert kann durch eine Blutuntersuchung und eine ärztliche Rücksprache bestimmt werden.

Vitamin B12 scheint ebenfalls in einem möglichen Zusammenhang mit OCD zu stehen. B12 ist notwendig für bestimmte biochemische Prozesse, die Neurotransmitter beeinflussen. Diese sind Botenstoffe im Körper, die auf die Stimmungsregulation wirken. Studien kamen zu dem Ergebnis, dass mangelnde B12-Werte im Blut mit erhöhten OCD-Symptome in Verbindung gebracht werden konnten (Türksoy et al., 2014).

Takeaways

Vitamin B12 wird über die Nahrung aufgenommen und hat eine wichtige Aufgabe bei der Funktionsfähigkeit des Nervensystems. Vitamin B12 ist hauptsächlich in tierischen Lebensmitteln enthalten. Hauptlieferanten sind also: Fleisch, Fisch, Innereien sowie Eier und Milchprodukte.

Auch Omega 3-Fettsäuren sind essentielle Mikronährstoffe wichtig für Körper und Seele. Sie werden wie Selen nicht vom Körper selber produziert, sondern müssen über die Nahrung aufgenommen werden. Als Funktion von Omega-3 ist die Konstanthaltung des Blutzuckerspiegels sowie die Stressbewältigung nachgewiesen. So kann dein Gehirn dabei unterstützt werden, besser mit Stress, Angst und Zwängen umzugehen. Die drei wichtigsten Formen sind ALA, DHA und EPA. Den besten Effekt konnte durch die Zusammenführung mehrerer Studien entdeckt werden: Etwa 2 Gramm EPA pro Tag sind nötig, um die gewünschte Wirkung zu erreichen - mehr als in vielen herkömmlichen Omega-3-Produkten steckt (Bafkar et al., 2024).

Takeaways

Omega 3-Fettsäuren werden ebenfalls nicht von uns selber produziert, sind jedoch essentiell für die Vorgänge im Körper, darunter auch der Hirnfunktion sowie der Stressregulation. Die drei wichtigsten Formen der ungesättigten Fettsäuren sind in unterschiedlichen Lebensmitteln zu finden: APA in pflanzlichen Lebensmittel, beispielsweise Lein- oder Rapsöl sowie in Lein- oder Chiasamen. DHA und EPA sind hingegen hauptsächlich in fettreichen Fischen wie Lachs oder Makrele enthalten. Omega-3-Fettsäuren kann ebenfalls als Nahrungsergänzungsmittel zugeführt werden.

Magnesium als einer der Elektrolyten im Körper ist ein Mineralstoff, der an zahlreichen biochemischen Prozessen beteiligt ist, beispielsweise im Nervensystem. Es hilft, das Gleichgewicht zwischen erregenden und hemmenden Neurotransmittern wie Glutamat und GABA zu erhalten, welche für die Stabilität der neuronalen Signalübertragung wichtig sind. Zudem spielt Magnesium eine wichtige Rolle bei der Regulation von Stressreaktionen, unter anderem durch Beeinflussung der Cortisol-Ausschüttung. Solche neurobiologischen Funktionen machen Magnesium zu einem potenziell unterstützenden Faktor bei der Behandlung von psychischen Beschwerden, auch bei Zwangsstörungen. Dies lässt auch eine Studie vermuten, die einen reduzierten Magnesiumspiegel bei Menschen mit OCD verzeichnete (Shohag et al., 2012).

Takeaways

Quick-Check: Der Mineralstoff Magnesium wird ebenfalls über die Nahrung zugeführt und sorgt unter anderem für eine gesunde Funktion der Muskeln und des Nervensystems. Er ist in vielen Lebensmitteln zu finden: Vollkornprodukte, Nüsse, Bananen sowie Fisch, Fleisch und Milchprodukte sind nur einige Beispiele. Der Schätzwert für eine angemessene Magnesiumversorgung wird von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung je nach Geschlecht um die 300mg angegeben.

Das ebenfalls lebensnotwendige Spurelement Zink übernimmt viele Aufgaben im Körper: Neben dem Schutz vor Krankheiten wirkt es auch an Zellwachstum sowie an Stoffwechselvorgängen und dem Immunsystem mit. Die Empfehlung für den Tagesbedarf an Zink wird durch die Deutsche Gesellschaft der Ernährung zwischen 8 und 14 Milligramm je nach Geschlecht angegeben. Studien fanden heraus, dass bei Betroffenen mit Zwangssymptomatiken ein Mangel an dem Spurenelement Zink vorliegt (Shohag et al., 2012). Daran anknüpfend kam eine andere Studie zu dem Ergebnis, dass Zink in Verbindung mit SSRIs zu einer deutlich stärkeren Abnahme der YBOCS-Werte sorgt (Sayyah et al., 2012).

Takeaways

Um den Bedarf an Zink zu decken, bedarf es einer Zufuhr über die Nahrung, da Zink nicht von dem eigenen Körper produziert wird. Tierische Lebensmittel wie Fleisch, Fisch, Käse und Milchprodukte sind dabei gute Zinklieferanten. Pflanzlich kann Zink beispielsweise über Vollkornprodukte, Bohnen, Nüsse und Haferflocken aufgenommen werden.

Die ketogene Ernährung

Zu einer weiteren vielversprechenden Entwicklung in der Behandlung von Zwangsstörungen zählt die ketogene Ernährung. Hierbei werden nur sehr wenig Kohlenhydrate, dafür aber etwas mehr Eiweiß und am meisten Fett zu sich genommen. Da Entzündungen im Gehirn möglicherweise eine Rolle bei der Entstehung von Zwangsstörungen eine Rolle spielen, kann die ketogene Ernährung aufgrund ihrer entzündungshemmenden Wirkung einen positiven Einfluss auf die Reduktion der Zwangssymptomatik haben (Attwells et al., 2017; Lounici et al., 2025). Eine Fallstudie illustriert, dass die Symptomlinderung durch ketogene Ernährung einsetzte, bevor die Expositionstherapie überhaupt begann, und schuf damit optimale Bedingungen für deren späteren Erfolg (MacDonald & Palmer, 2025). Dies zeigen auch weitere Studien, die die ketogene Ernährung neben OCD auch beispielsweise mit Angststörung und Depressionen untersucht. Die Ergebnisse sind erneut verblüffend: Es konnten deutliche Symptomrückgänge bei den Komorbiditäten von OCD nachgewiesen werden (Bostock et al., 2017). Gibt man bei Google die Suchbegriffe „OCD“ und „Keto“ ein, tauchen viele Diskussionen im Online-Forum Reddit auf. Viele Nutzer*innen geben ebenfalls einen positiven Effekt auf ihre Angst- und Zwangssymptome an.

Obwohl solche Ergebnisse zunächst unglaublich klingen, belegen sie eindrucksvoll den Einfluss, den Ernährung auf unser Gehirn und unsere Psyche haben kann. Die Wirkung der ketogenen Ernährung beruht auf mehreren Effekten, die zusammenspielen: Vor allem sorgt sie für einen stabilen Blutzuckerspiegel, was wichtig ist, weil bei Menschen mit Zwangsstörungen auf einer bestimmten Hirnregion, dem dorso-medialen Striatum, meist zu hohe Zuckerwerte gemessen werden. Ein ausgeglichener Blutzuckerspiegel hilft dem Gehirn, besser und gleichmäßiger mit Energie versorgt zu werden und vermindert gleichermaßen Stress.

Außerdem produziert der Körper bei einer ketogenen Ernährung sogenannte Ketone. Das sind besondere Fettbausteine, die das Gehirn als Energiequelle nutzen kann – besonders dann, wenn weniger Zucker zur Verfügung steht. Diese Ketone helfen, Entzündungen im Gehirn zu lindern, was wichtig ist, weil Entzündungen oft negative Auswirkungen auf die Gehirnfunktion haben. Außerdem unterstützen Ketone die Kraftwerke der Gehirnzellen, die Mitochondrien, damit diese mehr Energie und effizienter arbeiten können. Ketone tragen außerdem dazu bei, dass die Botenstoffe im Gehirn im richtigen Verhältnis zueinanderstehen. So können die Signale zwischen den Nervenzellen klarer und stabiler verarbeitet werden – was besonders bei Zwangsstörungen von Relevanz erscheint (Linsmayer et al., 2024; Kovács et al., 2019).

Takeaways

Bei der ketogenen Ernährung werden nur sehr wenig Kohlenhydrate zu sich genommen. Hauptbestandteil ist Fett, an zweiter Stelle steht Eiweiß. Dadurch gewinnt der Körper keine Energie aus den Kohlenhydraten, sondern aus den produzierten Ketonen. Die ketogenen Ernährungstherapien sollten nur in Begleitung durch qualifizierte Fachkräfte durchgeführt werden, da sie einen umfangreichen Ernährungsplan beinhalten. Zu den wichtigsten Fettquellen gehören fettreiches Fleisch und Fisch sowie Öle und Nüsse. Eiweiß wird ebenfalls auf Fleisch und Fisch sowie Eiern erlangt.

Die Blutzucker-Relevanz

Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass ein gestörter Blutzuckerstoffwechsel bei Zwangsstörungen eine wichtige Rolle spielen kann. Menschen mit Zwangsstörungen haben im Vergleich zu Kontrollgruppen oft höhere Blutzuckerwerte, wenn sie nichts gegessen haben. Das Hormon Insulin ist für die Regulierung des Blutzuckers zuständig. Darüber hinaus zeigen neueste Erkenntnisse einen direkten Zusammenhang zwischen dem Insulin-Signalweg im zentralen Nervensystem und unseren Verhaltensweisen. Vereinfacht gesagt: Insulin beeinflusst neurophysiologische Funktionen (Sullivan et al, 2023). Auch Forschungen an Mäusen mit Typ-2-Diabetes zeigen, dass solche Stoffwechselstörungen, beispielsweise Insulinresistenz im direkten Zusammenhang mit zwanghaften und ängstlichen Verhaltensweisen stehen können (Yu, 2024). Eine Zusammenführung mehrerer Studien kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass ein direkter Zusammenhang zwischen OCD und Diabetes besteht (Grassi et al., 2022).

Takeaways

Dauerhaft hohe Blutzuckerwerte kann zu Typ-2-Diabetes führen. Daher ist die Regulierung deines Blutzuckers wichtig für deine Gesundheit und deinen Stoffwechsel. Durch stabile Blutzuckerwerte kannst du nicht nur für weniger Heißhunger, sondern auch für mehr Energie und Konzentration sorgen. Greife hierfür nach zuckerarmen Snacks und kombiniere in deinen Hauptmahlzeiten Kohlenhydrate mit Proteinen und Fetten. Auch eine richtige Reihenfolge (erst Ballaststoffen, dann Protein, dann Kohlenhydrate) kann für die Regulation deines Blutzuckers sorgen. Neben den Lebensmitteln solltest du auch auf ausreichend Bewegung sowie Schlaf und Entspannungszeiten achten. Hole dir auch ärztlichen Rat, beispielsweise zur Messung deines Blutzuckerspiegels oder für einen Gesundheits-Check.

Abschließender Hinweis!

Menschen mit Zwangsstörungen tragen eine besondere Vulnerabilität für obsessive Ernährungskontrollen mit sich. Aus dem Heilungsversuch kann schnell eine neue Zwangsschleife entstehen. Daher ist es ratsam, sich auch bei einer Ernährungsumstellung ohne Nahrungsergänzungsmittel ärztlich begleiten zu lassen und sich vorher genau zu informieren.

In diesem Artikel wurde zudem deutlich, dass der genaue Zusammenhang zwischen Ernährung und Zwänge noch nicht ausreichend erforscht worden ist. Er bietet somit nur eine Orientierung und einen Einblick in das Themenfeld!

Weiterführende Literatur & verwendete Quellen:

Attwells, S., Setiawan, E., Wilson, A. A., Rusjan, P. M., Mizrahi, R., Miler, L., Xu, C., Richter, M. A., Kahn, A., Kish, S. J., Houle, S., Ravindran, L., & Meyer, J. H. (2017). Inflammation in the neurocircuitry of obsessive-compulsive disorder. JAMA psychiatry (Chicago, Ill.). https://doi.org/10.1001/jamapsychiatry.2017.1567

Bafkar, N., Zeraattalab-Motlagh, S., Jayedi, A. & Shab-Bidar, S. (2024). Efficacy and safety of omega-3 fatty acids supplementation in reducing anxiety symptoms: a systematic review and dose-response meta-analysis of randomized placebo-controlled trials. BMC Psychiatry. https://doi.org/10.1186/s12888-024-05881-2

Bendriss, G., MacDonald, R., & McVeigh, C. (2023). Microbial reprogramming in Obsessive–Compulsive Disorders: A Review of Gut–Brain Communication and Emerging Evidence. International Journal of Molecular Sciences.. https://doi.org/10.3390/ijms241511978

Bostock, E. C. S., Kirkby, K. C., & Taylor & B. V. M. (2017). The current status of the ketogenic diet in psychiatry. Frontiers in Psychiatry. https://doi.org/10.3389/fpsyt.2017.00043

Dai, J., Li, M., He, J., Duan, L., Zhu, X., Liu, L. Meng, M., Shao, X. & Zhu, G. (2024). Gut microbiotica changes are associated with abnormal metabolism activity in children and adolescents with obsessive-compulsive disorder. J Psychiatr Res. https://doi.org/10.1016/j.jpsychires.2024.12.041

Domènech, L., Willis, J., Alemany-Navarro, M., Morell, M., Real, E., Escaramís, G., Bertolín, S., Sánchez Chinchilla, D., Balcells, S., Segalàs, C., Estivill, X., Menchón, J. M., Gabaldón, T., Alonso, P. & Rabionet, R. (2022). Changes in the stool and oropharyngeal microbiome in obsessive-compulsive disorder. Sci Rep. https://doi.org/10.1038/s41598-022-05480-9

Grassi, G., Figee, M., Pozza, A. & Dell’Osso, B. (2022). Obsessive-compulsive disorder, insulin signaling and diabetes – A novel form of physical health comorbidity: The sweet compulsive brain. Comprehensive Pychiatry. https://doi.org/10.1016/j.comppsych.2022.152329

Kovács, Z., D`Agostino, D. P., Diamond, D., Kindy, M. S., Rogers, C. & Ari, C. (2019). Therapeutic Potential of Exogenous Ketone Supplement Induced Ketosis in the Treatment of Psychiatric Disorders: Review of Current Literature. Front. Psychiatry. https://doi.org/10.3389/fpsyt.2019.00363

Lennertz, L. (2013). Die Serotoninhypothese der Zwangsstörung (Dissertation). Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. https://bonndoc.ulb.uni-bonn.de/xmlui/bitstream/handle/20.500.11811/5594/3444.pdf

Linsmayer, D., Eckert, G.P., Reiff, J. & Braus, D. F. (2024). Ernährung, Stoffwechsel, Gehirn und mentale Gesundheit. Nervenarzt. https://doi.org/10.1007/s00115-024-01678-6

Lissemore, J. I., Sookman, D., Gravel, P., Berney, A., Barsoum, A., Diksic, M., Nordahl, T. E., Pinard, G., Sibon, I., Cottraux, J., Leyton M. & Benkelfat C. (2018). Brain serotonin synthesis capacity in obsessive-compulsive disorder: effects of cognitive behavioral therapy and sertraline. Translational Psychiatry. https://doi.org/10.1038/s41398-018-0128-4

Lounici, A., Iacob, A., Hongler, K., Mölling, M. A., Drechsler, M., Hersberger, L., Sethi, S., Lang, U. E. & Liwinski, T. (2025). Ketoginic Diet as a Nutritional Metabolic Intervenion for Obessive-Compulsive Disorder: A Narrative Review. Nutrients. https://doi.org/10.3390/nu17010031

MacDonald, A. J. & Palmer, C. M. (2025). Ketogenic diet as a therapeutic intervention for obsessive-compulsive disorder: a case series of three patients. Frontiers in Nutrition. https://doi.org/10.3389/fnut.2025/1568076

Sayyah, M.m Olapour, A., Saeedabad, Ys., Yazdan Parast, R. & Malayeri, A. (2012). Evaluation of oral zinc sulfate effect on obsessive-compulsive disorder: a random placebo-controlled clinical trial. Nutrition. https://doi.org/10.1016/j.nut.2011.11.027

Sayyah, M., Andishmand, M., & Ganji, R. (2018). Effect of selenium as an adjunctive therapy in patients with treatmend-resistant obsessive-compulsive disorder: A pilot randomized double blind placebo-controlled clinical trial. Archives of Psychiatry and Psychotherapy. https://doi.org/10.12740/APP/99584

Schaub, A.-C., Schneider, E., Vazquez-Castellanos, J. F., Schweinfurth, N., Kettelhack, C., Doll, J. P. K., Yamanbaeva, G., Mählmann, L., Brand, S., Beglinger, C., Borgwardt, S., Raes, J., Schmidt, A. & Lang, U. E. (2022). Clinical, gut microbial and neural effects of a probiotic add-on therapy in depressed patients: a randomized controlled trial. Translational Psychiatry. https://doi.org/10.1038/s41398-022-01977-z

Shohag, H., Ullah, A., Qusar, S., Rahman, M. & Hasnat, A. (2012). Alterations of Serum Zinc, Copper, Manganese, Iron, Calcium, and Magnesium Concentrations and the Complexity of Interelement Relations in Patients with Obsessive-Compulsive Disorder. Biological Trace Element Research. https://doi.org/10.1007/s12011-012-9371-3

Sullivan, M., Fernandez-Aranda, F., Camacho-Barcia, L., Harkin, A., Macrì, S., Mora-Maltas, B., Jiménez-Murcia, S., O’Leary, A., Ottomana, A. M., Presta, M., Slattery, D., Scholtz, S. & Glennon, J.C. (2023). Insulin and disorders of behavioural flexibility. Neuroscience & Biobehavioral Reviews. https://doi.org/10.1016/j.neubiorev.2023.105169

Turna, J., Grosman Kaplan, K., Anglin, R., Patterson, B., Soreni, N., Bercik, P., Surette, M. G. & Van Ameringen, M. (2020). The gut microbiome and inflammation in obsessive-compulsive disorder patients compared to age – and sex-matched controls: a pilot study. Acta Psychiatr Scand. https://doi.org/10.1111/acps.13175

Türksoy, N., Bilici, R., Yalçiner, A., Özdemir, Y., Örnek, I., Tufan, A.E. & Kara, A. (2014). Vitamin B12, folfate, and homocysteine levels in patients with obsessive-compulsive disorder. Neuropsychiatric Disease and Treatment. https://doi.org/10.2147/NDT.S67668

Yu, Y. J. (2024). Untersuchung des Haut-Mikrobioms und -Metaboloms von Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen (Dissertation). Ludwig-Maximilians-Universität München. https://edoc.ub.uni-muenchen.de/33874/6/Yu_Yi_Jing.pdf

Nadine Stievermann

Über den Autor

Nadine Stievermann

Nadine ist Gründerin von ocd&me mit über zehn Jahren Berufserfahrung im psychiatrischen Bereich. In ihrer Arbeit begleitet sie Menschen mit psychischen Belastungen, insbesondere im Umgang mit Scham, Ängsten und Zwangsstörungen. Ihr Anliegen ist es, wissenschaftlich fundiertes Wissen verständlich zu vermitteln und zugleich praxisnahe Unterstützung zu bieten – immer mit einer systemischen Haltung, die den Menschen in seiner Gesamtheit in den Blick nimmt.